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Foto: Lorenz Paulus/hdgö, cc by-nc 4.0

„EigentümerIn unbekannt“: Wie die Herkunft von Kunstgegenständen recherchiert werden kann

In Kooperation mit der Kommission für Provenienzforschung zeigt das hdgö in seinem Foyer ein Gemälde, von dem erzählt wird, dass es im Zusammenhang mit NS-Verfolgung geraubt wurde. Die Provenienzforscherin Lisa Frank berichtet hier über die bekannten – und vielen noch unbekannten – Hintergründe des Bildes und erklärt, welche Aufgaben die Kommission hat. Dabei vermittelt sie aber auch Schritt für Schritt, wie Recherchen zur Herkunft von Objekten ablaufen und wie auch Privatpersonen solche Nachforschungen durchführen können.

 

Oft hat ein Kunstwerk schon einen langen Weg und viele Besitzwechsel hinter sich, bis es an den Ort kommt, an dem es sich aktuell befindet. In der Wissenschaft spricht man von der „Provenienz“ eines Objekts. Die Provenienzforschung kümmert sich demnach um die Suche nach der Herkunft eines Bildes (und anderer meist in Museen verwahrter Gegenstände). Als sensibel gilt dieses Forschungsfeld insbesondere deshalb, weil darunter heute vor allem die Forschung nach im Nationalsozialismus geraubten Kunstwerken und deren Geschichte verstanden wird.

Provenienzforschung in Österreich

Im Jahr 1998 wurde in Österreich – nach vielen Jahrzehnten, in denen das Thema verschwiegen und nur sehr partiell behandelt wurde – das Kunstrückgabegesetz geschaffen. Als dessen Folge wurden zahlreiche Kunst- und Kulturgegenstände in den österreichischen Bundesmuseen von der eigens eingerichteten Kommission für Provenienzforschung als im Nationalsozialismus entzogen identifiziert. In mittlerweile 98 Sitzungen hat der Kunstrückgabebeirat über zehntausend Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Skulpturen, Objekte angewandter Kunst, volkskundliche, naturwissenschaftliche und technische Objekte, Münzen und Medaillen sowie über 50.000 Bücher, Manuskripte, Kartenwerke und Musikalien zur Rückgabe an die RechtsnachfolgerInnen von im Nationalsozialismus verfolgten Menschen empfohlen.

 

Die Provenienzforschung erfolgt direkt in den Bundesmuseen und anderen Sammlungen des Bundes. Als zentrale Kontakt- und Koordinierungsstelle für diese Forschungen fungiert das Büro der Kommission. Die dort tätigen Provenienzforscherinnen betreuen und beforschen Archivbestände, beantworten aber auch zahlreiche Anfragen von Betroffenen und deren Familien bzw. deren Vertretungen, von ForscherInnen, Studierenden und auch JournalistInnen aus dem In- und Ausland.

 

Anfragen privater Personen basieren häufig auf einer Verfolgungsgeschichte innerhalb der Familie und der Hoffnung, Verlorenes bzw. Geraubtes wiederzufinden. Vereinzelt gibt es aber auch Anfragen, bei denen die aktuellen BesitzerInnen von Kunstgegenständen oder Mobiliar über die Herkunft dieser Objekte im Unklaren sind oder eine bedenkliche Provenienz im Zusammenhang mit NS-Unrecht befürchten. Mehrheitlich bleiben diese Fälle leider aufgrund fehlender Informationen, die eine Zuordnung des Objekts zu früheren EigentümerInnen ermöglichen würden, ungeklärt. In Ausnahmefällen kommt es aber auch vor, dass ein Kontakt zwischen den aktuellen BesitzerInnen und den Familien der ursprünglichen EigentümerInnen hergestellt werden kann. Dabei kann die Kommission für Provenienzforschung freilich nur als Vermittlerin auftreten, da sie auf Basis des österreichischen Kunstrückgabegesetzes für Sammlungsbestände des Bundes zuständig ist, nicht aber für Privateigentum.

 

Ein Gemälde aus der Liechtensteinstraße

Einen außergewöhnlichen Fall stellt die Anfrage einer Privatperson dar, die sich an das Büro der Kommission wandte, um die ehemaligen EigentümerInnen eines in ihrem Familienbesitz befindlichen Gemäldes ausfindig zu machen, mit dem Wunsch, dieses zurückzugeben. Das Landschaftsbild von Friedrich Treuer, eine Darstellung des Zeller Sees, stammt, so die Familienüberlieferung, aus einer Wohnung in der Liechtensteinstraße 45 im 9. Wiener Gemeindebezirk, deren BewohnerInnen während des Nationalsozialismus vertrieben oder deportiert wurden. Die Bilder aus dieser Wohnung soll die Hausmeisterin einer Bekannten, nämlich der Großmutter der heutigen BesitzerInnen, gezeigt und ihr angeboten haben, sich eines davon auszusuchen. Die übrigen Bilder, abgesehen vom Zeller See, sollen von ihr zerstört worden sein. In der Familie, in der das Bild heute verwahrt wird, wird außerdem erzählt, dass ein Überlebender der tatsächlichen EigentümerInnen nach 1945 nach Wien zurückgekehrt sei. Er habe auch die Hausmeisterin nach dem Verbleib der Bilder befragt, aber nur die Antwort bekommen, dass sie darüber nichts wisse. Gemäß dieser familiären Überlieferung der Besitzgeschichte  wäre also nicht nur bekannt, wie das Bild den eigentlichen EigentümerInnen abgenommen wurde, sondern auch, dass die Überlebenden bewusst belogen wurden, um ihnen Nachforschungen und Rückforderungen unmöglich zu machen. Es fehlen zwar die Namen, um den Fall konkret aufzulösen, aber die Umstände, mit denen Opfer vor und auch nach der Shoa konfrontiert waren, werden sehr klar.

Wie die Herkunft von Objekten erforscht wird

Die Provenienzrecherche, bei der in einem ersten Schritt das Wiener Adressbuch Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger des Jahres 1938 konsultiert wurde, um die BewohnerInnen des Hauses zu eruieren und darauf aufbauend Auskunft aus den historischen Meldeunterlagen der Stadt Wien zu beantragen, ergab, dass mehrere der 1938 im Haus gemeldeten Personen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt waren. Von jenen, welche die Shoah überlebten, konnten nach dem Krieg keine erneuten Meldungen in Wien nachgewiesen werden. Das muss der Erzählung nicht unbedingt widersprechen, weil der Überlebende auch nur für kurze Zeit in Wien gewesen sein kann. Die Nachforschungen in den Restitutionsmaterialien im Archiv des Bundesdenkmalamts, im Österreichischen Staatsarchiv und dem Wiener Stadt- und Landesarchiv brachten keinen Hinweis auf das Gemälde Treuers und dessen rechtmäßige EigentümerInnen. 

 

Die in diesem Fall beispielhaft genannten Archive und Materialien enthalten maßgebliche Quellen – die Recherchemöglichkeiten zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Objekten sind aber vielfältig. Welche Schritte zur Erforschung sinnvoll sind, orientiert sich jeweils am Einzelfall und an den vorhandenen Informationen. Zunächst besteht die Möglichkeit, am Objekt selbst Hinweise zu finden. Diese so genannten „Provenienzmerkmale“ können handschriftliche Vermerke, Stempel und Etiketten auf Unter- oder Rückseiten sein, oder – im Fall von Büchern – sogenannte Exlibris, die in einschlägigen Nachschlagewerken, beispielsweise Frits Lugt – Les Marques de collections de dessins & d’estampes, nachgeschlagen werden können. Im Fall des Treuer-Gemäldes konnte bei dessen Untersuchung das bereits vermutete Motiv, der Zeller See, anhand eines handschriftlichen Vermerks auf dem Keilrahmen verifiziert werden. Die Expertin des hdgö erkannte außerdem eine in den 1950er oder 1960er Jahren erfolgte Neurahmung.

Findet sich ein Name, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten zur weiterführenden biografischen Recherche. Um herauszufinden, ob eine Person während der NS-Zeit in Österreich verfolgt wurde, kann unter anderem im Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien recherchiert werden oder auch im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, auf dessen Website Personendatenbanken über im Nationalsozialismus ermordete Menschen informieren. Wurde ein Fall bereits von der Kommission für Provenienzforschung bearbeitet, so könnte das im Lexikon der österreichischen Provenienzforschung weiterführende Hinweise ergeben. Erklärungen zu den im Österreichischen Staatsarchiv und im Wiener Stadt- und Landesarchiv vorhandenen Materialien finden sich im Findbuch für Opfer des Nationalsozialismus (inklusive einer Datenbank, die jede/r registrierte NutzerIn verwenden kann) des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und im Rechercheleitfaden der Abteilung für Restitutionsangelegenheiten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.

Bleiben die Namen der VorbesitzerInnen unbekannt, kann die objektbezogene Recherche weitergeführt werden. Während ProvenienzforscherInnen in Museen meist auf Inventarbücher und ein Hausarchiv zur Nachforschung zurückgreifen können, ist das Privaten im Normalfall nicht möglich. Für jede/n greifbare Optionen sind aber (historische) Werkverzeichnisse – im Fall Friedrich Treuers leider ergebnislos – oder die Suche in Auktionskatalogen, die mittlerweile auch digitalisiert vorhanden sind. Darüber hinaus sind einige Datenbanken zu NS-Quellen online zugänglich, die auf einschlägige Objekte hin durchsuchbar sind, wie die Online-Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien und die Datenbanken des Deutschen Historischen Museums. In der Lost Art-Datenbank sind Such- und Fundmeldungen von Privatpersonen und Institutionen einsehbar.

 

Weiterführende Links zur Online Recherche finden Sie auch auf der Website der Kommission für Provenienzforschung.

Bei jeder privaten Nachforschung ist zu beachten, dass relevante Quellen aus datenschutzrechtlichen Gründen oft nur eingeschränkt einsehbar sind und, dass der Zugang zu Materialien teilweise kostenpflichtig ist.

 

Wenn Sie konkrete Hinweise zum Fall des Gemäldes aus der Liechtensteinstraße 45 haben, nimmt die Kommission für Provenienzforschung diese dankbar entgegen. Sie erreichen diese unter provenienzforschung@bda.gv.at oder der Tel. Nr. +43 1 534 15 850 271.

 

 

Ein Bericht zu diesem Fall wurde auch im Newsletter des Network of European Restitution Committees on Nazi-Looted Art, Juni 2021, Nr. 10 veröffentlicht.

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